Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Aus- und Weiterbildungsteilnehmer:innen,
in Erinnerung an die Namensgeberin unseres Instituts wurde die Edith-Jacobson-Gedenkvorlesung in unserer Satzung verankert. Sie findet in der Regel alle zwei Jahre statt, und wir möchten Edith Jacobson (10. September 1897 bis 8. Dezember 1978), die in Berlin als Psychoanalytikerin ausgebildet wurde, damit ehrend in Erinnerung halten. In Berlin war ein Schwerpunkt ihrer praktischen Tätigkeit die Kinderanalyse.
Für unsere Gedenkvorlesung in diesem Jahr konnten wir Judith Hermann gewinnen, auf die wir uns sehr freuen. Judith Hermann ist eine in Berlin geborene Schriftstellerin, deren Roman „Daheim“ für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert und u.a. mit dem Bremer Literaturpreis ausgezeichnet wurde.
Für uns wird sie lesen aus: „Wir hätten uns alles gesagt.“ Dies ist auch der Titel, unter dem sie die renommierten Frankfurter Poetikvorlesungen 2022 gehalten hat. Mit dem Zusatz: Vom Schweigen und Verschweigen im Schreiben.
„Wer bin ich, woher komme ich, inwieweit kann ich mich von den Anfängen entfernen, darf ich sie vergessen, oder muss ich sie erst schreiben und darf sie dann vergessen.“ aus „Wir hätten uns alles gesagt“, S. 186, Fischer Verlag, 2023.
Edith Jacobson schrieb auch. Zwei herausragende wissenschaftliche Arbeiten waren 1964 „Das Selbst und die Welt der Objekte“, dt. 1973 und 1971 „Depression. Eine vergleichende Untersuchung normaler, neurotischer und psychotisch-depressiver Zustände“, dt. 1977.
Im Nachlass von Edith Jacobson findet sich aber auch ein dickes, schwarzes Wachstuchheft mit ca. 90 Gedichten auf 100 Seiten. Viele dieser Gedichte beziehen sich auf ihre Zeit im Gefängnis, in das sie nach ihrer Verhaftung durch die Gestapo 1935 kam. Sie war aufgefallen im Zuge ihres Engagements in der leninistischen Widerstandsgruppe NEU BEGINNEN. Die Flucht gelang ihr nach einer Klinikbehandlung 1938 in die USA.
Zuchthaus
1. Im Kerkerdämmer löschen Zeit und Raum:
wo dich das spannungslose Nichts umringt,
kein Blick, kein Hauch der Liebe zu dir dringt,
da wird das Leben schattenhafter Traum.
2. Die Stunden der Verdam[m]nis zählt ich kaum,
hätt ich nicht täglich, wie die Sonne sinkt,
den Tag mir angemerkt, der scheidend winkt,
– so wüchs mir Jahr um Jahr mein Lebensbaum.
3. Du meinst, ich griffe dürstend noch vom Rand
der öde in den Sprudelstrom der Zeit?
Nein, ich verdorrte längst im Wüstensand.
4. Mein stumpfes Auge reicht nicht mehr so weit,
daß ichs nur sähe: das gelobte Land.
— Mich hüllt die nebelgraue Ewigkeit.
Judith Hermann, deren Ich-Erzählerin in „Wir hätten uns alles gesagt“ ihrem ehemaligen Psychoanalytiker zufällig begegnet und sich von ihm eine Zigarette und Feuer geben läßt, schreibt am eigenen Leben entlang. Das könnte man von den Schriften Edith Jacobsons vielleicht auch sagen, dass sie am Leben entlang geschrieben sind.
Sie sind herzlich eingeladen, zu hören, zu fühlen, zu denken, mitzudiskutieren.
Danach auch zu Fingerfood-Buffet und Umtrunk.
Für den Vorstand des EJI (Ulrike Held, Cordula Jaletzke, Gabriele Klausmeyer, Dinah Martin)
Dipl.-Päd. Ulrike Held,
Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin (EJI, IfP, VAKJP)
Vorsitzende des Edith-Jacobson-Instituts
Herzlich eingeladen sind alle Mitglieder und Ausbildungskandidat*innen des IfP, EJI, JIB, PaiB